v1.0 Untertitelung: BR 2017 Ab jetzt. Hopp. Für die müden Kühe ist es der letzte Tag im Stall. Lucia Mayer ist schon länger wach. Um fünf Uhr früh hat ihr Wecker geklingelt. Melken und Füttern, das ist für sie als Lehrling auf dem Bauernhof bei Wangen im Allgäu der Alltag. Heute steht ein Umzug an: Das Jungvieh kommt auf die Alpe. Seit elf Monaten arbeitet Lucia auf dem Betrieb. Ihr Ausbilder ist Hofbauer Elmar Karg: Eine Zeit lang hat es den Ausspruch gegeben: "Mein Bub kann halt sonst nicht so viel. Jetzt macht er halt eine Bauer-Lehre. Die Zeiten sind vorbei. Solche Jungs bleiben auf der Strecke. Da wird dir nichts geschenkt und das ist auch der falsche Weg. Das Ausladen ist für die Treiber eine Herausforderung. Die Tiere sind aufgeregt, für die meisten ist der Weg fremd. Scheu vorm Vieh hat Lucia nicht. Die 21-Jährige ist mit Kühen groß geworden, die Eltern besitzen einen Hof im Oberallgäu. Einen Auftrieb in dieser Größe erlebt sie aber heute zum ersten Mal: Ho, ho, ho, ho! Ho, ho, ho, ho! Ho, ho, ho, ho! Ho, ho, ho, ho! Fast 180 Kühe müssen hinauf zur Mittelstieg-Alpe. Die Sommerweide liegt auf 1200 m Höhe, gleich unterm Hochgrat bei Oberstaufen. Hopp. Die Tiere kommen aus verschiedenen Ställen, verbringen den Sommer aber gemeinsam auf der Weide. 33 Stück Jungvieh gehören zu Lucias Ausbildungshof. Im Schatten machen die Treiber und das Vieh eine kurze Pause. Die haben ein ganz schönes Tempo. Heute sind sie insgesamt sehr flott. Das Problem ist, wenn sie uns dann pfitzen. Dann wird alles nervös und jeder will dem Leitrind nachspringen. Dann kann's sein, dass sie über die Zäune rausgehen. Aber das haben wir zum Glück verhindert. Einmal hab ich gedacht, jetzt wird's brenzlig, weil da haben die Vorderen umgedreht. Ich hab gedacht, wenn die zurückdrücken, dann geht's über die Zäune raus. Vor knapp zwei Jahren hat Lucia ihre Lehre als Landwirtin begonnen. Zuerst ein Jahr an der Berufsschule und jetzt ein Jahr Praxis. Wie lief's bei dir? Hat eigentlich ganz gut geklappt. Aber es war schon ziemlich anstrengend. Auch wenn es immer noch eine eher männlich geprägte Welt ist, Landwirtin war schon immer ihr Berufswunsch. Man schafft mit den Tieren, man ist draußen, man ist selbstständig. Ich kann selber entscheiden. Ich kann mir alles selber einteilen. Grad, wenn man Kinder hat später, ist es schön. Man hat die daheim, muss sie nicht weggeben. Das find ich toll. Der Viehauftrieb in die Allgäuer Alpen war ein kurzer Ausflug. Der Alltag findet unten auf dem Hof in Hergatz statt. Lucia und ihr Ausbilder Elmar Karg haben sich in die Werkstatt zurückgezogen. Fünf Tage bleiben Lucia bis zur praktischen Prüfung, der wichtigste Teil ihres Abschlusses. Dafür muss sich die Auszubildende nicht nur mit Tieren gut auskennen. Und dann kann man rausbauen und schauen ... - Genau. Am Schwert aushängen. Dann kannst du hier ... - Das Innere. Genau. Das muss sauber sein. Und auch die Kettenführung, das komplette Schwert ausblasen. Lucia, wie fit bist du an der Säge? Mittlerweile geht's eigentlich schon ganz gut. Schauen wir mal, wie's am Freitag läuft. War das was, was du schon von zu Hause kanntest? Ich kannte es schon. Aber die Wartung hab ich vor der Lehre noch nicht oft gemacht. Das hat immer der Papa gemacht. Aber es geht eigentlich. Am Anfang hab ich am meisten Angst gehabt, mit den vielen großen Maschinen zu fahren. Also mit dem Schmetterlings-Mähwerk, das hinten zwei Mähwerke hat. Über die Straße zu fahren, das war am Anfang gewöhnungsbedürftig, weil es groß ist, breit und hoch. Und dann über die Hauptstraße zu fahren, das ist gewöhnungsbedürftig. Mein Chef hat andere Einstellungen gehabt als mein Vater. Das war wichtig, dass man mal was anderes hört, wie's andere machen. Und mal was anderes gesehen zu haben. Lucia arbeitet nicht nur auf dem Bauernhof, unter der Woche wohnt sie auch dort, bei Sabine und Elmar Karg und deren zwei Kindern. Schon allein wegen der Arbeitszeiten ist das sinnvoll. Die Lehre auf einem anderen Hof bietet aber auch neue Einblicke in den Alltag einer anderen Familie. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. O Gott, von dem wir alles haben, wir preisen dich für deine Gaben. Du speisest uns, weil du uns liebst. O segne auch, was du uns gibst. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. An den Wochenenden fährt Lucia zu ihren Eltern nach Altusried, etwa eine Dreiviertelstunde Autofahrt entfernt. Woanders als daheim hat sie bisher noch nie gewohnt. Ich find es ganz nett, es ist mal was anderes. Man ist nicht immer daheim und man lernt auch viel, wie's woanders zugeht. Ich hab gedacht, mir macht das mehr aus, aber gar kein Problem. Wie ist das, ein weiteres Familienmitglied zu haben? Ich hab mich dran gewöhnt. Das ist echt total nett. Aber mein, wie soll ich sagen, meine Bedingungen am Anfang ... Weil früher war's üblich, dass sie im Haus mitgewohnt haben. Da hab ich gesagt, nein, das mag ich eigentlich nicht. Ist mir ein bisschen zu eng. Und dadurch, dass wir das gut gelöst haben mit der Wohnung bei den Schwiegerleuten oben drin, ist das hervorragend. In meiner Ausbildung hatten wir das gleiche Bad, gleiche Toilette. Was wir jetzt teilen, ist quasi Waschküche, den Kühlschrank und Küche. Das passt und es hat auch der Lehrling seinen Rückzugsbereich und wir unseren auch. Aber mir macht's grundsätzlich wahnsinnig Spaß, junge Leute am Tisch zu haben, mit jungen Leuten zu schaffen, drum machen wir das. Nach dem Essen geht es weiter mit der Säge. Zum Schwert 90° ist da so eine Linie eingezeichnet. Nach der kann ich gehen. Die Linie muss genau auf den Pfosten. Auch einen Baum zu fällen könnte Prüfungsaufgabe sein. So ganz ohne Hilfe klappt das noch nicht. Lucia, du musst von oben durchschauen. Wenn du schräg reinschaust, hast du einen Knick in der Optik. Schau mal von mir aus. Jetzt setzt du noch mal an und tust ihn da ein wenig rein. Die Prüfung, da ist man aufgeregt und braucht Routine. Drum müssen wir uns mit irgendwas behelfen. Momentan ist keine Waldzeit, steht keine Waldarbeit an. Da müssen wir uns mit so was, mit Improvisation aushelfen. Das ist schon ganz okay, bloß beim nächsten Mal schauen, dass du waagrecht bist. Dass du nicht nach unten hängst, sondern dass du schön waagrecht das Schwert ansetzt. Das ist reine Übungssache. Der, der sich wirklich in den Beruf rein wagt, der weiß normal schon, was auf ihn zukommt. Die haben einfach wahnsinniges Interesse an der Natur, an den Tieren. Das ist eine Freude zu sehen. Mein Vater hat z.B. gesagt: Wer soll das machen irgendwann mal? Er hat gesagt, er ist gespannt, wie sich das mit der Landwirtschaft entwickelt. Aber seit er sieht, wie die bei uns motiviert an die Sache rangehen und wie die mit den Kühen umgehen und wenn die frei haben, sind die oft im Stall. Da siehst du, dass das überzeugte Jugendliche oder junge Leute sind, die das mit Liebe weiter fortführen. Heu-Ernte bei Oberstaufen. Auch Michael Denz hat sich für die Landwirtschaft entschieden. Seinen Meister hat der 25-Jährige vor drei Jahren gemacht. Später will er den Hof der Eltern in Steibis übernehmen. Noch ist es nicht so weit. Er und Vater Hubertus arbeiten gemeinsam. 70 ha Land bewirtschaften sie. Viel Arbeit für die Familie. Sind das hier eure Flächen? Nein, die sind gepachtet. Da haben wir vor acht Jahren, wo ich gewusst hab, dass ich weitermach oder dass ich den Landwirt mach, die Fläche dazu gepachtet. Seitdem haben wir die in Pacht. Hier sind wir auf 1000 m Höhenlage. Wie sind solche Tage wie heute und gestern für dich? Sagen wir mal so, sie sind anstrengend, aber es gehört zum Beruf und man muss das mit Leidenschaft machen, weil es gehört ein bisschen Idealismus dazu. Hier sind die Saisonspitzen, aber da hilft die ganze Familie. Dann ist das zu bewältigen. Bei der Heu-Ernte ist nicht nur der Vater dabei, seine Schwester Katharina hat sich extra dafür Urlaub genommen. Jetzt müssen sie bei der Hitze das Heu schnell in die Scheune bringen, lange wird das gute Wetter nicht halten: Regen hat sich angekündigt. Der Hof ist ein reiner Milchwirtschaftsbetrieb. Drei Ferienwohnungen im Haus vermietet die Familie auch noch. Gutes Heu ist wichtig für den kleinen Betrieb. Die Tiere bekommen kein Silofutter, sondern nur Heu und Getreide. Die Familie Denz verzichtet grundsätzlich auf vergorenes Futter. Früher war das die allgemein übliche Fütterung, heute hat reine Heufütterung Seltenheitswert. Der achtjährige Korbinian ist das Nesthäkchen in der Familie. Als Hofnachfolger ist er noch zu klein. Katharina, die älteste Schwester, arbeitet als Köchin in der Schweiz, die jüngste Schwester studiert Maschinenbau. Ganz schön schwer, oder? Ja. Magst du auch Bauer werden wie dein Bruder? - Ja. Und warum? Weil ich auch mal gerne Trecker fahren will. Mittags treffen sich alle bei Tisch, Mutter Ingrid hat gekocht. Nur der Vater bleibt auf dem Feld. Er bringt das letzte Heu ein. Magst du noch Salat? Heut nicht. - Heut nicht? Ein bisschen. - Nein. Ich hab gesagt Nein. - Okay. Bald wird noch einer mehr mit am Tisch sitzen. Michael hat nicht umsonst seinen Meister gemacht. Auch bei ihm wird ein Lehrling auf dem Hof wohnen und arbeiten. Michael, jetzt hast du heute Unterstützung von der Familie. Ab August hast du noch weitere Unterstützung. Ja, ab 1. August kommt der Lehrling, der erste, den wir haben. Wir sind gespannt, wie das alles abläuft, aber ich denk, dass das auch eine Entlastung für meine Eltern ist und für mich vielleicht auch, dass man mal mit der Freundin weggehen kann, wär nett. Man hat es sich jetzt auch immer freigeschaufelt, aber es ist entspannter. Ich hab's mir vorgestellt, wie's bei meiner Ausbildung war. Da hat man viel lernen können. Du durftest alleine arbeiten, durftest mit den anderen mitarbeiten und da lernst du einfach viel mehr dazu. Kannst du dich erinnern, wie das für dich war? Wie alt warst du damals? Ich war 16. Oder 17 war ich. Ich war grad 16. Grad 16 war ich. Es war schon eine harte Zeit. Ich bin eigentlich ein "Heimscheißer". Der war 100 km weit weg, also ziemlich im Unterland, in Kaufbeuren da unten. Der Wirt, die Familie war echt toll, der Lehrbetrieb. Der Lehrmeister war auch ein junger Meister. Da warst du auch der erste Lehrling. - Damals war ich bei dem der erste. So stell ich mir das vor. 80 Tiere haben sie im Stall, davon sind 28 Milchkühe. Damit kommen sie auf gute 680 l Milch täglich. Auf geht's. Vom Größenwachstum des Betriebs, denke ich, sind wir am Limit. Es soll ja noch ein Familienbetrieb sein und wir sind ja im Berg-Gebiet und da kann man nicht für 100 Kühe bauen. Da ist es besser, wenn man kleinstrukturiert bleibt und das dann richtig macht und die Milch-Menge und den Absatz im Griff hat. Dann ist es beständig für die Zukunft. Mit der Heumilch verdient Familie Denz deutlich besser als mit Milch aus konventionellem Anbau. Zweimal am Tag, in der Früh und am Abend, fährt Michael zur Sennerei im Ort. Auch für Korbinian ist das praktisch, die Sennerei liegt gleich auf dem Schulweg. Vor einem Jahrhundert schon wurde die Dorfsennerei in Steibis gegründet. Und sie hat bis heute überlebt. Inzwischen ist es eine Genossenschaft von neun Milchbauern aus dem Ort. Sie führen den Betrieb eigenständig. Zweimal täglich bringen die Bauern ihre Milch zur Sennerei, ausschließlich Heumilch. Michael Denz hat damit die Nische gefunden, die ihm den Fortbestand seines Hofes sichern soll. Zwei Käsemeister machen hier täglich frischen Käse. Hauptsächlich Bergkäse, Emmentaler und Schnittkäse. Verkauft wird der Käse im Genossenschafts-Laden gleich nebenan. Der Hof von Familie Eldracher in Immenstadt. Pünktlich mittwochs um 8.30 Uhr beginnt hier die erste Schulstunde für die fünf Lehrlinge aus der Landwirtschaftsschule Kempten. So, dann starten wir den heutigen Tag. Heute gibt es Unterricht auf der Kuhweide. Hier unten machen die Kühe immer ihre Faxen, aber auf der Anhöhe beruhigen sie sich. Da ist auch Schatten. Und sie wissen genau, dass dort auch etwas Wind geht. Und alle hier bis auf einen kommen selbst vom Hof. Für Ferdinand Brams war es nicht selbstverständlich, Landwirt zu werden. Worauf muss ich achten als Landwirt. wenn ich an eine Kuh hingehe? Keine hektischen Bewegungen, mit der Kuh sprechen. Mit dem Vornamen ansprechen. So bekommt man das Vertrauen der Kuh und das werden wir jetzt zusammen machen, Ferdinand. Mal schauen, ob sie das Vertrauen zu uns hat. Na, wie schaut es aus? Keine Lust? Du kannst mich mal. Das Wissen, das die anderen schon von Kind auf mitgenommen haben, muss er sich erst aneignen. Was ist los? Keine Lust? Mag nicht. Zu übermütig heute. Im Stall oder mit der Kuh, wie sie sich verhält, wann man genau weiß, wann sie kalbt, so was muss man erst dazulernen, weil man es von daheim nicht kennt. Den legen wir um das Maul rum, dass es Spannung hat, aber nicht zu fest ist. Mit dem Strick kommen wir hinter das Ohr und machen hier einen Knopf. Wie muss der Knoten laufen? Der muss von oben nach unten. Von außen nach innen. Dann kommt er nach hinten. Und hier unten wieder durch. Mit der rechten Hand führen, möglichst nah am Kopf. Worauf achtest du bei der Handführung? Dass das Seil schön in der Handmitte liegt und nicht um die Hand rum ist, wie eine Schlaufe. Dass es sich nicht zuziehen kann, falls die Kuh sich hektisch bewegt oder erschreckt wird, damit die loslassen kann. Hopp! Gehen wir auf die Höhe rauf, da ist noch mehr Sonne. Ferdinand, du darfst noch ziehen. Ferdinands Mitschüler sind mit der Arbeit am Hof zwar gut vertraut. Doch reicht das wirklich, um sich für diesen Beruf zu entscheiden? Was war der Grund, dass ihr euch für die Ausbildung entschlossen habt? Man will ja den Hof auch mal weiter führen und eine Familie gründen, dass der Hof besteht. Hätte es, wenn ihr es anders gewollt hättet, andere Möglichkeiten gegeben? Ja klar. Erzwingen kann man nichts, das muss man auch gerne machen, aber ich mach das gerne und bei mir war das klar, dass es keine andere Lehre gibt. Ich war in der Industrie fünf Jahre. Weil ich auch eine Landwirtschaft hab, will ich eine Landwirtschaftsausbildung machen, damit ich den Betrieb daheim weiterführen kann. Und was hat dich wechseln lassen? Die Arbeitszeiten, der Wechsel zwischen Spätschicht und Frühschicht und bei schönsten Wetter muss man arbeiten. Im landwirtschaftlichen Betrieb ist es so, wenn die Arbeiten gemacht sind, kann man auch mal mit der Familie zum Baden oder Radfahren, wenn das Wetter schön ist. Im Industriebetrieb muss man da eben arbeiten. Die Arbeit geht natürlich auch auf einem Hof nie aus. Selbst nicht in einem so modernen Stall, wie ihn Ausbilder Josef Eldracher besitzt. In seinem Naturland-Betrieb werden die Kühe rund um die Uhr vollautomatisch versorgt. Der elektronische Stall stellt sich ganz auf ihren Rhythmus ein. Das Reinigen des Spaltenbodens übernimmt hier der Roboter. Und die Tiere entscheiden selbst, wann sie gemolken werden. Das Kraftfutter lockt die Kuh in den Melkstand. Dort wird ihr Euter per Laser vermessen und der computergesteuerte Arm setzt die Melkbecher an. Vor 4 Jahren hat Josef Eldracher den Stall umgebaut, eine Investition für die nächsten 20 Jahre. Allein der Melkroboter hat ihn schon 150.000 Euro gekostet. Sein Sohn will den Betrieb später fortführen. Was früher schwere Arbeit war, wie Füttern, Melken und Misten, ist in dem Fall alles mechanisiert. Da merkt man, dass der Tagesablauf leichter vollzogen werden kann. Unser Betrieb hat früher 35 Kühe im Anbindestall gehabt und jetzt haben wir 70 Kühe im Laufstall mit moderner Technik. Und die Arbeit ist nicht mehr geworden. Ein Fütterungsroboter versorgt die Rinder mit Silofutter und Getreide. Wenn wir an der Seite stehen, kann es sein, dass wir am Sensor vorbeikommen. Wie empfindest du den Geruch? Sehr gut, aromatisch, nicht säuerlich, ist wichtig. Was findet man da alles? Getreide, Mineralfutter. Immer wieder passt sich der Lehrplan an den Wandel der Landwirtschaft neu an. In den Anfangszeiten haben wir noch Handmähen mit der Sense beigebracht. Auch das Dengeln von der Sense, das Schleifen von der Sense mit einem Wetzstein. Das ist heute aus dem Programm draußen. Das gibt es nicht mehr, weil die Zeit davongelaufen ist. Das ist ein typischer Zeiger, dass der Boden bisschen sauer ist. Manches Wissen ist zeitlos. Ferdinand muss z.B. wissen, was auf seiner Weide wächst. Für eine Gräsermappe soll er mindestens 66 Pflanzen sammeln. Das ist Frauenmantel. Da nimmst du ein richtig schönes Blatt und da siehst du, dass es der Frauenmantel ist, der nach vorne aufmacht. Das ist ein ganz wertvolles Kraut. Frauenmantel ist ein Heilkraut bei der Tierernährung. Ferdinand gefällt die Arbeit im Freien. Denn er kennt das auch anders, es ist nicht seine erste Ausbildung: Bauer war bei mir schon seit ich laufen kann und seit ich weiß, dass es Kühe und Traktoren gibt, mein Berufswunsch. Das hatte ich immer im Hinterkopf. Ich habe keinen Hof daheim, dann ist es schwierig, da eine Ausbildung zu machen, wenn man das nicht vor der Tür hat. Daher habe ich mich für die Uhrmacherei entschieden und bin dann aber wieder zurückgekommen zur Landwirtschaft. Weil ich dachte: Wenn nicht jetzt, wann dann? Und mit 23 dachte ich, mach ich es. Vom Allgäu nach Oberbayern. Ferdinand verbringt eine Woche an der Landmaschinenschule in Landsberg. In der Schule ist es natürlich eine Umstellung, wenn man als 23-Jähriger in eine Klasse kommt, wo jüngere Mitschüler mit einem auf der Schulbank sitzen. Aber dadurch, dass es so abwechslungsreich ist und so interessante Themengebiete sind, ist es für mich kein Problem. Hier lernt er auch die Grundlagen des Schlepperfahrens. Das Treckerfahren ist ja für kleine Jungs oft ein Traum. Ist es auch ein Groß-Männer-Traum? Auf jeden Fall. Das ist der Traum von jedem, dass er mal auf einem Traktor fährt mit 200 PS aufwärts oder 150. Es macht einfach Spaß und es ist ein Traum. Was wiegt der Bock? 9,5 Tonnen ungefähr. Fahren die Räder immer mit? Die fahren immer mit, das ist so. Fast zwei Jahre Ausbildung hat Ferdinand noch vor sich. Seine Berufsaussichten sind jetzt schon vielversprechend. Auch ohne eigenen Hof hat er gute Chancen unterzukommen, in der Futtermittelbranche etwa oder auch in der Energiewirtschaft. Leute mit dieser sehr praxisorientierten Ausbildung sind gefragt. Ich gehe sehr entspannt an die ganze Situation. Ich freue mich, dass ich den Schritt gemacht habe mit der Landwirtschaft. Es gibt so viele Möglichkeiten in der Landwirtschaft, sich weiterzubilden oder weiterzuarbeiten, dass mir das überhaupt keine Sorge macht. Vorbereitung für die Vieh-Auktion. Zwei Braunviehkühe, Vera und Elaine, will Michael Denz am nächsten Tag verkaufen. Und er hat jetzt Unterstützung. Seit August hilft Roman Mesmer bei der Arbeit. Ein ganzes Jahr lang wird er auf dem Hof sein. Kommst du selbst auch vom Hof? Ja, meine Eltern oder wir haben auch einen Hof daheim. Somit hab ich etwas Erfahrung. Grundlegende Dinge weiß man schon. Ist das ein spezielles Kuh-Shampoo? Ja, eigentlich schon. Ja. Kommt aus Amerika. Ziemlich speziell, ja. Es löst den Dreck besser auf und ist hautfreundlich. Es bringt das Fell eher zum Glänzen als ein herkömmliches Shampoo. Da brauchst du ziemlich viel, normales Haar-Shampoo, und so braucht man weniger Menge. Wird dann sauber. Kurz nach sechs Uhr in der Früh machen sich Michael und Roman auf den Weg nach Kempten. In der Allgäu-Halle findet heute die Vieh-Auktion statt. Komm her. Nur Braunvieh wird hier versteigert. Die Rasse gilt als guter Milchlieferant. Eine letzte Dusche noch, obwohl die Milchleistung letztlich über den Preis entscheidet. Erst nach gut zwei Jahren, wenn sie ihr erstes Kalb geboren hat, gibt eine Kuh Milch. So lange hat auch Matthias gewartet. Jetzt braucht er wieder Platz im Stall. Er muss verkaufen. Ist die Auktion selber spannend für dich anzuschauen? Ja, es ist immer ein Ansporn da. Man weiß ja nicht, wie viel man kriegt und was der Käufer ausgeben will auf der Auktion. Es ist immer wieder spannend. Der Startpreis wird bereits vor Auktionsbeginn festgesetzt. Doch seitdem die Abschaffung der Milchquote den Milchpreis in den Keller getrieben hat, sind auch die Preise für Milchkühe gesunken. Schlechte Voraussetzungen also. * Er ruft die Gebote aus. * Sogar für Kälbchen wird weniger gezahlt als auf vergangenen Auktionen. Viel geht heute nicht, darauf macht sich auch Michael gefasst. Zwischen 900 und 2300 Euro erzielt eine Jungkuh. Der Preis orientiert sich an ihrer Milchleistung und ihrer Melkbarkeit. 1560, 1580, 1600. 1680, 1700, 1720, 1740. Michael ist bereit. Zwei Jahre lang war Vera in seinem Stall, viel Arbeit und Zeit und um die 1800 Euro, die er investiert hat. Jungkuh Vera startet mit 1000 Euro, aber niemand bietet. Der Auktionator muss den Preis senken. 1000. 1000. 960 noch, 960. 960. 900. 920, 940, 960, 980. 980 sind geboten. 980 zum Zweiten. 980 zum Dritten. Für nur 980 Euro geht Vera am Ende an einen neuen Besitzer. Es war eine Nullrunde. Ich zahl drauf bei der Kuh. Da ist nix mehr verdient an der Kuh. Der, der sie hat, kann sich glücklich schätzen. Aber ich hab nix verdient, ich hab nur die Arbeit gehabt. In so einer Situation kann man nix anderes machen. Man will sie auch nicht zum Schlachten tun. Da kommt man schon ins Grübeln: Ist das noch sinnvoll, was man da macht? Man hat sie 2,5 Jahre aufgepäppelt, aus dem Dreck gezogen, und dann kriegst du das Geld, wo eigentlich nur ... ... nix bezahlt ist, eine Nullrunde war. Aber man muss damit leben. Nützt nichts. Altusried im Oberallgäu. Das Wochenende verbringt Lehrling Lucia bei ihren Eltern. Und auch hier ist sie fleißig. Die Familie besitzt einen kleinen Hof mit 40 Kühen. Vater Franz Mayer und Mutter Monika haben den Betrieb von den Großeltern übernommen. Damals schon haben sie den Hof auf ökologische Landwirtschaft umgestellt. Von der Biomilch lässt sich deutlich besser leben. Lucia ist die jüngste der drei Töchter und auch die, die sich am meisten für den Hof begeistert. Ihre Schwestern haben andere Berufe gelernt. Wir waren von klein auf, als Babys mehr oder weniger, schon im Stall mit dabei. Dass wir richtig zu gebrauchen waren, das war erst später dann, mit sechs, sieben oder so. Aber wir waren immer dabei und haben probiert zu helfen. Eines der wenigen Mädchen unter vielen Jungen an der Landwirtschaftsschule zu sein, hielt Lucia zunächst von der Ausbildung ab. Erst nach einer Gärtnerlehre wagte sie den Schritt doch. Es ist vielleicht ungewohnt oder eher ungewöhnlich, dass die Tochter Landwirt lernt. Aber ich hab sie davor schon unterstützt, grad bei Maschinen. Lucia hasst Maschinen eigentlich. Ich hab immer versucht, ihr zu zeigen, dass das alles nicht so schwer ist. Dass man auch als Frau mit Maschinen arbeiten kann und auch Anhänger und alles. Aber ich bin auch der Meinung, dass sie das nie allein machen kann als Frau. Sie braucht einen passenden Partner. Den richtigen Partner einmal vorausgesetzt, auch wirtschaftlich ist jeder Hof ein Wagnis. Noch wäre es zu früh für eine Übergabe, auch wenn die Eltern sich das vorstellen können. Doch die Zukunft in der Landwirtschaft ist kaum vorhersehbar. Im Moment ist es schwierig. Aber es kann nächstes, übernächstes Jahr wieder nicht so sein. Vor zwei Jahren war die wirtschaftliche Lage ganz okay. Davon kann man nicht seine Berufsfindung oder wohin es einen zieht abhängig machen. Wenn das so eindeutig ist wie bei ihr, das ist toll. So, Mucki. Lucia ist mit ihrer Wahl glücklich, was andere davon halten, interessiert sie weniger. In der Gesellschaft aber ist die Landwirtschaft ein Dauerbrenner. Und vor allem ein Thema, bei dem alle mitreden wollen. Warum muss ein Kalb weg von der Mutter? Warum muss man so oft das Gras mähen oder warum überlässt man die Natur nicht sich selber? Oder im Waldbereich, warum muss man da "Monokulturen" machen? Das mag mit Abstand betrachtet schon in die Richtung gehen, von außen, bloß wenn man nicht in der Materie ist und damit arbeiten muss und davon leben, das ist der Unterschied ... Wir machen das ja nicht aus Jux und Tollerei, sondern da geht's ums nackte Überleben. Und diese Diskrepanz zwischen knallharter Nutztierhaltung bzw. knallhartem Wirtschaften auf dem Hof und die ideale Bilderbuch-Vorstellung klafft extrem auseinander. Drum brauchst du eine gute Ausbildung, einen guten Hintergrund, damit du in solchen Diskussionen bestehen kannst. Zurück zum Ausbildungs-Hof nach Immenstadt, die lang gefürchtete Abschlussprüfung. Lucias erste Aufgabe war tatsächlich, einen Baum zu fällen. Das hat auch geklappt. Jetzt geht es in den Kuhstall. Das Sprunggelenk ist hier bei der Kuh. Die Fessel ist da unten. Für Lucia ein Heimspiel. Michael Denz ist auch mit im Stall. Er arbeitet nebenher als Prüfer. .... ob sie genügend gefressen hat davor. Erst mal hab ich eine Sinnesprüfung beim Kalb gemacht. Das Kalb sollte eine nasse Nase ... Das Flotzmaul sollte feucht sein. Wenn sie ganz trocken ist, weiß man, irgendwas stimmt nicht. Das Kalb könnte krank sein. Dann schaut man sich die Ohren an: Hat's ein Ohrenspiel, bewegt's die Ohren oder hängen sie bloß nach unten? Dann schaut man, wie's mit dem Fell ... Das ist frisch geboren, da ist's klar, dass es so ausschaut. Aber bei Älteren sollte das Fell glatt sein. Gab's irgendwas, was du schwer fandest oder nicht wusstest? Ja, paar einzelne kleinere Fragen, aber ich glaub, das Hauptsächliche hab ich gewusst. Ja, es hat schon gepasst. - Es hat ganz gut gepasst. Fast zwei Monate später in Marktoberdorf. Endlich ist es so weit: Lucia und ihre Eltern bei der Abschlussfeier, der "Freisprechung". Heute bekommen die Lehrlinge ihre Zeugnisse. Trotz Milchkrise ist der Beruf als Landwirt im Allgäu immer noch beliebt. Die Ausbildungszahl bleibt seit Jahren konstant. An diesem Abend werden 81 Absolventen "freigesprochen". Die zehn Besten werden auf die Bühne gerufen. Platz Nummer sechs. Aus der Berufsschule Kempten. Und es gilt der Grundsatz: "Ladies first". Lucia Mayer, Fronhofen, mit dem Notendurchschnitt 1,69. Alles Gute. Herzlichen Glückwunsch. Danke. Super. - Danke. Das hätt ich jetzt nicht gedacht. Jetzt bin ich ganz überrascht. Ich hab nicht gedacht, dass es so gut ausfällt. Wie fühlt sich das an? Voll gut. Lucia wohnt wieder zu Hause und genießt ihre Sommerferien, soweit das auf einem Hof eben möglich ist. Wie's momentan aussieht, werd ich mal den Hof übernehmen. Aber das kann ein paar Jahre dauern, weil meine Eltern sind auch noch nicht so alt, dass man gleich übergeben kann. Ich bin ja jetzt quasi nur Geselle oder Landwirtsgehilfe. Die Ausbildung ist somit noch lang nicht abgeschlossen, bis man dann wirklich einen Betrieb führen kann. Das dauert doch noch mal ein paar Jahre. Untertitelung: BR 2017